Auf Spuren jüdischen Lebens in Franken

18. Juli 2012

Auf Spuren jüdischen Lebens in Franken

Zu einer Exkursion mit dem Titel "Spuren jüdischen Lebens in Franken" verließ eine große Schülergruppe klassen- und fächerübergreifend das Schulgebäude der Josef-Schmitt-Realschule, um an verschiedenen Orten im Nahraum Spuren früheren jüdischen Lebens, aber auch die lebendige jüdische Gemeinde in Würzburg kennen zu lernen.

Im Fachunterricht hatten sich die Schüler in den Gruppierungen evangelische und katholische Religion, aber auch im Fach Ethik mit dem Thema "Begegnung mit den Weltreligionen" auseinandergesetzt und dabei die Vielfalt religiöser Traditionen in verschiedenen Kulturkreisen und Weltregionen kennengelernt.

In einer Zeit der Globalisierung folgten sie dann dem Kernsatz des berühmten Theologen Hans Küng, der in seinem "Projekt Weltethos" davon ausgeht, dass nur ein "Frieden zwischen den Religionen den Frieden zwischen den Völkern" bewirken kann.

Da diese Vielfalt der Religionen auch den Erfahrungshorizont der Schülerinnen und Schüler berührt, machte man sich nun auf den Weg, der jahrhundertelang währenden Selbstverständlichkeit nachzuspüren, dass gerade in Franken eine verhältnismäßig große Zahl von Menschen der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehörten.

Im Geschichtsunterricht hatten die Schüler durchaus von Pogromen gegen die Juden in vergangenen Zeiten und insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus gehört. Dass aber in unmittelbarer Nähe zu ihrem Schulort lebendige jüdische Gemeinden bis zur Deportation 1942 existiert haben, war ihnen kaum bewusst. So war die erste Station dieser Exkursion der Judenfriedhof in Unterbalbach, einer der größten und ältesten Judenfriedhöfe in ganz Süddeutschland.

"Ja, ich habe schon gewusst, dass es da einen Judenfriedhof gibt, ich bin ja schon oft vorbeigefahren, aber, dass er so groß ist und dass hier so viele Gräber sind, das hatte ich nicht vermutet", meinte eine der Schülerinnen, als sie mit ihrer Gruppe den Friedhof wieder verließ. Anhand von entsprechenden Aufgabenstellungen hatten sich die Schüler intensiv mit Fragen des jüdischen Bestattungswesens und der Grabgestaltung, insbesondere mit den historischen Grabsteinen beschäftigt.

Nächste Station war dann die ehemalige Synagoge in Gaukönigshofen, auf halbem Wege nach Würzburg gelegen. Hier hatte es über Jahrhunderte eine blühende Gemeinde gegeben, die im selbstverständlichen Miteinander mit den anderen, meist in der Landwirtschaft tätigen Einwohnern, gelebt hatten.

Etwa die Hälfte der jüdischen Mitbürger wurde Opfer der Verfolgung, die andere Hälfte konnte sich rechtzeitig, teilweise unter dramatischen Umständen, in Sicherheit nach USA oder Israel bringen.

Der ehemalige Bürgermeister Paul Lesch stand den Schülern Rede und Antwort auf ihre Fragen. Er berichtete von seinen Bemühungen, die überlebenden ehemaligen jüdischen Mitbürger, darunter mehrere Schulkameraden wieder nach Gaukönigshofen einzuladen.

Tatsächlich gelang dies dann zur Eröffnung des Gebäudes nach entsprechender Renovierung als Kreisgedenkstätte des Landkreises Würzburg für die ehemaligen jüdischen Mitbürger im Jahr 1984. Die Schüler zeigten sich auch im Nachhinein besonders von der überzeugenden und authentischen Berichten und Informationen dieses Zeitzeugen der deutschen Geschichte sehr beeindruckt.

Die dritte Station war schließlich ein Besuch im Bildungszentrum der jüdischen Gemeinde von Würzburg "Shalom Europa" und der dortigen Synagoge. Ein Rundgang in diesem Zentrum informierte zunächst über die Geschichte der Würzburger Juden, die seit dem Mittelalter einen recht großen Bevölkerungsanteil stellten. Auch sie durchlebten sehr wechselvolle Zeiten von Verfolgung und Unterdrückung aber auch wieder der Toleranz.

Bereits wenige Wochen nach dem Ende des 2. Weltkrieges konnten einige Überlebende des Holocaust wieder eine jüdische Gemeinde bilden und ihren Glauben nunmehr in Freiheit und ohne Verfolgung leben. In einer sehenswerten Ausstellung begegneten die Schüler nochmals den Grundelementen jüdischer Glaubenspraxis, ehe ein Besuch in der Synagoge aus den 60er Jahren des 20. Jahrhundert diese Eindrücke im Zentrum der jüdischen Gemeinde verdichteten.

Im Rückblick äußerten sich die Schüler äußerst positiv über diese Exkursion, die von Realschullehrer Franz Ködel geplant und geleitet wurde. "An diesem Tag hat sich eine neues Bild über die Geschichte von Juden und Deutschen gebildet", äußerte ein beeindruckter Schüler aus einer der Klassen, die interessiert und offen an dieser Exkursion teilgenommen haben. jsr/fk

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